Kein Mensch liest 250.000 vertrauliche Diplomaten Mails. Wiederum sind wir auf die Interpretation ein paar weniger Leitmedien angewiesen. Was sie dort angerichtet haben ist allerdings bemerkenswert. Verschwörnungsmedien wie Kopp-Online > vermuten die Doppel-Dreifach-Und-Wieder-Zurück-Intrige, der Spiegel > verfolgt als temporärer Medienpartner von WikiLeaks > eine politisch korrekte Linie. Die Boulevard Presse betont den kriminellen Hintergrund, wobei sie nicht wie seriöse Medien, zum Beispiel die Frankfurter allgemeine Zeitung >, auf den kuriosen Anlass, der zur Strafverfolgung durch schwedische Behörden führte, eingeht. Die Südteutsche > reflektiert die Ereignisse intelligent aber begrenzt. Der Standard >, eine der wenigen Online-Zeitungen Österreichs, die keine Angst vor der freien Meinung ihrer LeserInnen haben, untersucht mit seinen schreibfreudigen PosterInnen die Folgen dieser „ungewollten“ Transparenz diplomatischer Kommunikation. Und genau da wird es interessant.Während man bei bei seiner Bank schnell kreditunwürdig erscheint weil Schnüffeldienste die Bonität anzweifeln oder eine Erkrankung seltsamerweise in den Unterlagen eines Sachbearbeiters aufgetauchen, Politiker schnell einmal auf Polizeidatenbanken nachsehen und wir Bürger immer mehr von Videokameras verfolgt werden, agieren große Netzwerke aus Politik und Wirtschaft weitgehend abgeschirmt. Da kommt Häme auf, wenn es auch einmal eine sonst besonders sorgfältig abgedichtete Ebene trifft, wenn Zynismus und Oberflächlichkeit diplomatischer Kreise so schonungslos ans Tageslicht kommen. Möglicherweise entsteht so, ausgehend von WikiLeaks, eine globale Ethik des 21. Jahrhunderts auf der Basis von größtmöglicher Transparenz, die Menschen und Staaten auf einen neuen Umgang miteinander vorbereiteten kann.